O Mensch,
wo eilest du hin? Den ganzen Tag hastest du deinen Terminen nach, und
immerzu versuchst du, noch neue unterzubringen. Der neue Tag ist, noch ehe
er begonnen hat, bereits total verplant. Von früh bis spät hastest du und
versuchst, dein dir gestelltes Soll zu erfüllen.
Du
hetzest deinen Aufgaben, deiner Arbeit nach, glaubst und bist überzeugt,
dies sei das Wichtigste, weil in der heutigen Gesellschaft nur noch Leistung
zählt und nur noch der Mensch Ansehen genießt, der sie erbringt. Überall
wird dir geraten, Prioritäten zu setzen, und vor lauter Prioritäten vergisst
du das Wesentlichste, dein Leben bewusst zu leben.
Für Deinen Schöpfer hast du keine Sekunde Zeit und somit auch nicht für
dich. Halte inne und besinne dich!
Wenn du
abends nach Hause kommst, erwartest du von deiner Familie, dass sie auf
deine Bedürfnisse eingeht, Rücksicht auf deine Müdigkeit nimmt, deine
Fernsehwünsche respektiert. Und nach Programmschluss fällst du müde und matt
vom Sessel ins Bett. Du möchtest nun schlafen, um am anderen Morgen wieder
fit zu sein. Für die Anliegen deiner Familie hast du kaum ein Ohr und
überhörst vieles. Freude am Leben empfindest du schon lange nicht.
So
hastest du von Woche zu Woche. Selbst die Wochenenden sind bei dir total
verplant mit Sport, Verein oder Verband. Immerzu bist du in Aktion und
fühlst dich schon krank oder überflüssig, wenn du einmal etwas Leerlauf
verspürst. Du fühlst dich mitunter ertappt, wenn du keine Leistung erbracht
hast, für die sonst ein Gegenwert steht.
Für Deinen Schöpfer hast du keine Sekunde Zeit und somit auch nicht für
dich. Halte inne und besinne dich!
Und so
eilen die Jahre ins Land, und mit ihnen eilst auch du und glaubst, du wärest
ein gemachter Mann. Dabei merkst du nicht, dass andere, Freunde und Nachbarn
sowie jüngere Kollegen an dir vorbeiziehen. Immerzu läufst du hinterher,
vergisst, dass du älter und schwächer und somit müder geworden bist. Ständig
wunderst du dich, dass der Abstand immer größer wird; dennoch versuchst du,
mitzuhalten, läufst und läufst, bis dir der Atem wegbleibt und du nach Luft
ringst.
Du
versuchst es zu überspielen, willst stark sein, es anderen nicht zeigen, wie
schwach du dich fühlst. Du kannst es dir nicht leisten, schwach zu sein,
obwohl dies bereits der Fall ist. Du spürst, dass du aussetzen musst, bevor
es ganz zu Ende ist. Du denkst: »Alles darf kommen, nur das nicht«. Du weißt
es selbst, welchen Raubbau du mit deinen Kräften getrieben hast, wolltest es
aber nicht wahrhaben. Nun ist der Augenblick da.
Für Deinen Schöpfer hast du keine Sekunde Zeit und somit auch nicht für
dich. Halte inne und besinne dich!
In der
Klinik erwachst du aus deiner Ohnmacht. Du bist aus deiner Bahn geworfen.
Himmel und alle Welt rufst du nun an: »Das darf doch nicht wahr sein!« Für
Monate bist du außer »Gefecht« gesetzt. Du glaubst noch immer, ohne dein Tun
und deine Leistung ginge die Welt zugrunde! Zermarterst dir den Kopf, ob
auch alles richtig läuft. Noch immer erkennst du deine Chance nicht.
Erst
wehrst du dich! Dann aber wird es langsam still. In dieser Stille findest du
allmählich zu dir selbst und kommst zur Besinnung. Zwar geht dir diese
Stille aufs Gemüt und zehrt an deinen Nerven. Aber dennoch erkennst du, dass
sich hier für dich eine Chance auftut.
Nun hast
du auch Zeit für Deinen Schöpfer und kommst allmählich zur Ruhe und somit zu
dir selbst. Nutze die Zeit, die dir gegeben ist, halte inne und besinne
dich. Danke Deinem Schöpfer für diese Spanne Zeit und für die Möglichkeit zu
erkennen und zu reifen. Beides wird nur in Schmerzen geboren.
In
dieser Zeit lernst du zu erkennen, dass es neben der Arbeit noch andere
Dinge gibt, die Glück vermitteln. Plötzlich entdeckst du Fähigkeiten, die
verborgen in dir schlummerten, die dich nun innerlich mit Freude und Stolz
erfüllen, weil sie dich über deine bisherige Arbeit hinausheben und dich
auch ein Stück freier machen.
Auch
wenn in dir die Erkenntnis heranwächst, deiner bisherigen Arbeit nicht mehr
voll oder gar nicht mehr nachgehen zu können, wirst du dich nicht aufgeben,
weil dir gleichzeitig eine Kraft zuwächst, anderes als bisher weiterzuleben.
Jedem Schmerz wohnt Heil, Licht und Weg inne!
Diese
Erkenntnis ist schmerzlich. Sie tut weh, weil es heißt, Abschied zu nehmen
von alten Gewohnheiten, weil sie von dir ein Umdenken fordert. Wenn du dich
im Innern zu einem Ja durchringst, wird es dir gelingen, neu zu beginnen.
Der
vermeintliche äußere Verlust an Lebensqualität wird mehr und mehr durch
einen inneren Gewinn aufgehoben, der dich zunehmend mehr und mehr beglückt
und zufrieden werden lässt. Schenke deiner inneren Stimme Gehör und
verschaffe ihr Platz. Dann wirst du auf eine ganz andere Weise schöpferisch
tätig, die eine neue Qualität darstellt. Du wirst ein ganz anderes und
vielleicht auch ein ganz neues Leben führen, in dem du mehr von innen her
lebst. Für diese Chance danke deinem Schöpfer.
Nicht
jeder Mensch muss diesen Weg gehen. Es gibt auch andere Wege und
Möglichkeiten. Vielleicht wäre es für dich gut, hierüber eine Weile
nachzudenken und sich dabei des Bibelwortes »Was nützet es euch, wenn ihr
die ganze Welt gewinnet, aber Schaden leidet an der Seele« zu erinnern.
Darum halte von Zeit zu Zeit inne und besinne dich. Suche die Stille und
frage dich, auf welchem Weg du bist, und ob du auf diesem vor Deinem
Schöpfer bestehen kannst.
- o -
Veröffentlicht später mit einem Abschnitt zur Jahreswende 1989 und dem
Untertitel: "Gedanken zur Jahreswende" im Buch "Vertrauter Umgang mit Gott –
Denkanstöße", Verlag Haag + Herchen, Frankfurt/Main 1996, S. 23 - 25
© Heinz
Pangels, 11/1986
© Heinz Pangels, 2005 - 2008