Leiden als zugewiesene Aufgabe
oder Mitwirkung am Erlösungswerk Christi?
in:
CHRIST IN DER GEGENWART,
Nr. 44 / 39. Jahrgang,
S. 364
Freiburg, 01. November 1987
Ich kann ebenfalls im Leiden
keine "frohmachende Botschaft" erblicken, sowie ich auch Krankheit,
Behinderung oder schlechthin Leiden allgemein nicht als "freudiges
Erlebnis" empfinden kann (vgl. Spalte "Zum inneren Leben", CiG
38, S. 309; "Liebe und Selbstqual"). Ich freue mich aber, oder ich
kann mich freuen, wem ich während dieses Zustands des Gefühl vermittelt bekomme,
dass es gut ist, dass es mich gibt und man glücklich ist, bei mir zu sein.
Ich kann aber keine Freude darüber empfinden, dass ich leide oder für mein
Leben lang behindert bin, vielleicht noch am Rollstuhl gefesselt. Wäre dem
so, müsste man mich schizophren nennen.
Wenn wir das Leiden anderer erträglich machen,
Trost spenden und Mut zusprechen, und wir uns, im Ganzen
gesehen, menschlicher zu den Leidenden verhalten, dann
verhalten wir uns ganz im Sinne Christi; denn er hat
es uns vorgemacht und uns aufgefordert, so zu handeln. Dies betrachte ich
persönlich als unmittelbare Aufgabe und Mitwirkung am
Erlösungswerk Christi. Gott ist Mensch geworden und
in diese Welt gekommen, um uns hier und heute zu vermitteln, dass er uns
liebt; er will uns nahe sein und uns in unserer Mühsal beistehen. Er hat
Kranke geheilt, Trauernde getröstet, Tote auferweckt. Er hat uns ein
Beispiel gegeben.
Es muss Aufgabe der Menschheit sein, die
Leiden dieser Welt auch hier in dieser Welt zu bewältigen, sie soweit wie
möglich zu heilen, und wo dies nicht möglich ist, weitgehendst zu lindern
und zu tragen helfen. Wir dürfen es nicht bei dem "billigen
Trost" belassen, "die Leiden dieser Welt fänden im Jenseits ihre
Erlösung". Dass sie dort letztlich ihre vollkommene Erlösung finden,
darf uns hier nicht abhalten, Leiden zu heilen, zu lindern und zu vermeiden;
denn nicht jedes Leid ist von Gott gewollt! Viele, viel zu viele Leiden
fügen sich die Menschen untereinander selbst zu. Darum müssen wir alle Anstrengungen
aufbieten, den Betroffenen jedwede Hilfe zu gewähren, die sie befähigt,
die Herausforderung anzunehmen und ihr "Schicksal" zu bewältigen.
5330 Königswinter-Oberdollendorf
Heinz Pangels