Weihnachtsgruß 1990
Weihnachtliche Meditation 1990Da sind vor allem die schneebedeckten Dächer, die bedeuten Geborgenheit und Schutz. Schornsteine ragen zum Teil wie dünne Finger in den Winterhimmel. Einige hellerleuchtete Fenster schauen in die Dunkelheit. - Weihnachten - In den Häusern sind wohl Lichterbäume aufgestellt, unter denen die heiligen Familien aus Ton, Gips oder Holz Ihr leibliches Leben fristen. Da werden die letzten Vorbereitungen für das Fest getroffen. - Weihnachten - Da stapeln sich Geschenke, die nicht mehr beschenken, sondern fordern. Da ziehen die Menschen ihre neuen Kleider an und gehen zur Christmette. Die Gemeinde im Lichterglanz, Orgelmusik und Weihrauch. - Weihnachten - Da wirkt es wie ein Schlag in Gesicht, dass auf einem schmutzigen Hinterhof neben Mülltonnen und Sandhaufen, unter einem Abstellschuppen, eine arme Familie hockt mit einem Kind in der Krippe. Wäre es nur eine arme Familie mit ihrem Kind, könnte man darüber hinwegsehen. Es gibt ja so viele arme Familien mit Kindern, an die man an diesem festlichen Abend nicht erinnert werden mag. Aber dieses ist unverkennbar eben diese Familie und dieses Kind, um die es an diesem Abend geht. Sie sind außerhalb! Außerhalb der behüteten Dächer und der festlichen Gemeinden. Sie waren es immer schon. Damals, als in dem ärmlichen Stall von Bethlehem alles begann, bis heute. Die Botschaft der Menschwerdung ist immer wieder total anders, als wir uns das denken. Damals wie heute sind es ein paar Arme, Außenstehende und Sonderlinge, die mehr sehen, die noch dem, was geschieht, nahe stehen, die noch wirklich beschenkt werden.
"HERR, da
sammelst Du Unrat und Abfall. Es ist vielleicht ein Wagnis, Hinterhöfe mit Unrat, Mülltonnen und deren unappetitlichem Inhalt als Symbol zu nehmen. Hirten auf dem Feld und drei Weise aus dem Morgenland, Ochs und Esel, das ist alles malerischer, ansprechender und schont Gemüt und Nerven! Doch das Symbol der Mülltonnen kann vielleicht sprechender sein in unserer "Wegwerfgesellschaft". Auch Menschen werden weggeworfen. Nur wer jung, schön und begabt oder berühmt ist, gilt heute etwas. Ältere Arbeiter werden entlassen; Kranke finden erst oft keine Anstellung. Alte Menschen werden "aus dem Verkehr gezogen" und in Altersheimen gesammelt. Und zu den Ausgestoßenen, "dem Abfall", kommt GOTT, wird ganz gleich wie sie. Die Mülltonnen, die arm auf dem Hinterhof stehen, spiegeln etwas von dem Glanz der von diesen Menschen und diesem Kind ausgeht. Hier, außerhalb, ist Weihnachten!
Sr.
Raymunda Maria, Aachener Franziskanerin,
Von Sr.
Raymunda Maria, Köln, © Heinz Pangels, 2008 |
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